Freitag, 1. Juli 2011

Tahere Asghary

Kritik

Die Gedichte von Mohammad Ahmadijan sprechen mich an. Das hat Gründe. Zum einen schreibt er in einer schlichten Sprache, die mich als seine Leserin oft überrascht. Man steht staunend vor dieser Einfachheit. Die Art der Darstellung erinnert mich an naive Malerei. Aber hinter dieser Einfachheit steht eine tiefgründige Haltung. Der Dichter setzt sich mit existentiellen Fragen auseinander.
Diese Einfachheit hat auch zur Folge, dass eine gewisse Unschuld sich in der Sprache der Texte widerspiegelt. Diese Unschuld ist dabei nicht in religiösem Kontext zu verstehen. Vielmehr meine ich die Einheit der Aussage mit ihrer Form, durch die sich mir unmittelbar etwas Ursprüngliches und Unberührtes mitteilt.
Zum anderen reflektiert M. Ahmadijan aufgrund seines Exillebens vielschichtig. Westliche philosophische, psychologische und Kunst - Aspekte, seine Erfahrungen als Individuum im Kontext von kultureller Vielfalt fließen außerdem in die Texten mit hinein. Von daher ist es lesenswert, wie er sich durch seine Gedichte positioniert und neue Fragen aufwirft.

Tahere Asghary

Aktuell, Teil acht

Aktuell, Teil acht

Nächste Veröffentlichung Anfang Oktober 2011

Wahn

Wahn ist mein Freund
mit Wahn ist mein Leben mein Leben,
wenn der Schmerz stärker sei als ich

falls der Schmerz nicht stärker sei,
schaffe ich es alleine
es macht mir keine mühe.


Der Luftballon

Sie ging

ich träumte, sie gehe vor mir
einen Luftballon in der hand
ich näherte mich ihr und nahm ihr den Luftballon ab
sie ging weiter und verschwand in die Ferne

ich blieb da
ein Luftballon in der Hand.


Was die Vernunft mir vorenthält

Die Vernunft versagt, mich zu legitimieren
was die Vernunft mir vorenthält, gönnt mir die Liebe

die Vernunft meckert
die Liebe sagt:
es war schwer und lieb.


Ich bin gerne böse

Ich bin gerne böse
böse Absichten zaubern
ab und zu eine böse Absicht
damit der Böse sich hinter den guten Absichten nicht versteckt

es ist mir peinlich, wenn ich eine gute Absicht habe
und sie komme bei einem anderen nicht gut an.


Sie

Sie hat ein paar Bierflaschen in der Hand
und fährt mit U-Bahn
sie ist noch jung und redet liebevoll
mir ist es peinlich, dass sie liebevoll zu Fahrgästen spricht
Alkohol hat sie reichlich zerstört

ich bin nicht mehr jung
und bin süchtig nach Liebe
Liebe hat mich reichlich zerstört

wovor hat sie Zuflucht in Alkohol gefunden?
wovor habe ich Zuflucht in Liebe gefunden?


Heute war ein Tag

Auf dem Weg zum Gymnastiktraining begegnete ich dem Herbst in vollen Zügen. In einem Park in der Nähe. Warme Farben und melancholisch.
Bei dem Training war eine interessante Frau in der Gruppe.

Zuhause habe ich Bekanntschaften in meinem Leben durchgegangen. Jede Bekanntschaft war ein Schicksal. Jede Bekanntschaft fing damit an, dass ich einen anderen interessant fand. Nicht immer war mein erster Eindruck treffend. Nicht immer meinte das Schicksal mit mir gut.
Nun erlebe ich den Herbst meines Lebens. In vollen Zügen, mit warmen Farben und melancholisch, wie der Herbst im Park.
Heute war ein Tag. Ein Herbsttag.

Bilder, Teil zwei